Über den (Un-) Sinn des Lebens

Über den (Un-)Sinn des Lebens

Wann war es vorbei? Suchend wandert mein Blick Richtung Himmel. Weiße Wolken, einfache weiße Wolken.
Früher war es so viel mehr als das. Es waren Wolkentiere, gefährliche Monster oder kaffeetrinkende Damen.
Wann war es vorbei?
Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Es passierte schleichend. Eines Morgens wachte ich auf und die Kreaturen waren nicht mehr da. Was spürte ich bei Magie? Eingeholt von der Erwachsenenwelt hatte ich das vergessen. Stattdessen: Stress, Hektik, Alltag.
Das volle Programm.
Ich hetzte zwischen vollen Windeln, Job und schlaflosen Nächten hin und her. Nun war ich kein Kind mehr, ich hatte selbst welche und das gleich im Viererpack. Ich, die nie erwachsen werden wollte, hatte mich irgendwann auf der Autobahn des Lebens selbst verloren.
Das Schlimme daran? Ich hatte es nicht einmal bemerkt. Jahrelang war ich unzufrieden. Jahrelang war ich auf der Suche, konnte aber nicht greifen, wonach ich strebte. Ich fühlte mich einsam. Ein wenig wie Momo unter all den grauen Männern. Wo waren meine Träume geblieben? Wo waren die Leichtigkeit des Seins, die Farben, die Magie? Wo war ich?
Jahrelang strampelte ich mich ab. Ein Kampf ums Überleben. Aber ich wollte nicht ungesehen untergehen. Doch die Dunkelheit in mir war stark. Sie zog mich hinab. Ich wurde leise. Zog mich immer mehr in meine eigene, kleine Welt zurück.
Wann hatte ich mich zuletzt auf Weihnachten gefreut? Wann hatte ich mich überhaupt gefreut? Ich meine nicht das zaghafte Lächeln, das einem über das Gesicht rutscht, wenn man ein paar Socken erhält. Ich meine das pure Glück, wie es Kinder erleben. Und dann war er da, der Punkt. Der Moment, an dem ich vor der Weggabelung meines Lebens stand. Links lockte die ewige Stille. Die Ruhe, der Schlaf, das frohlockende Nichtmehrkämpfen. Rechts raste die Autobahn, das Leben, das Gebrauchtwerden und das Grau des Alltags. Ich trat einen Schritt nach links. Ich war müde. Fühlte keinen Sinn. Wozu war ich gut? Was konnte ich zum Leben beitragen?
Soll ich euch sagen, was der Grund war, den letzten Schritt nicht zu tun?
Es war das Lachen meiner Kinder. Das Leuchten in ihren Augen. Es waren diese kleine Hände, die nach mir griffen und mich zum Sofa zogen. Die verschwitzten Köpfe, die sich auf mich legten und gespannt den Geschichten lauschten, die ich erzählte. So lange, bis ich das ruhige und gleichmäßige Atmen wahrnahm. So lange, bis sie eingeschlafen waren. Jeden Tag aufs Neue.
Dank meiner Kinder lernte ich, selbst wieder mit den Augen eines Kindes zu sehen. Ich hatte vergessen, wie es war, verrückt über Tische und Bänke zu tanzen. Vergessen, dass Monster unter den Betten lauerten, die vertrieben werden mussten, und ich hatte vergessen, die Süße der Nimm2-Bonbons bewusst zu schmecken. Durch meine Kinder lernte ich, wieder im Regen zu tanzen und in Pfützen zu springen. Ja, ich lernte wieder herrlich verrückt zu sein. Und ich fand mich wieder.
Gestatten, mein Name ist Claudia und ich freue mich Sie kennenzulernen.
Natürlich reagierten andere oft kopfschüttelnd, wenn sie uns sahen, wie wir Nacktschnecken sammelten, weil diese sich verlaufen hatten. Ich sah auch die mitleidigen Blicke die uns trafen, wenn wir jauchzend den Berg hinabkugelten. Aber das war mir egal. Sollten die Menschen doch denken, was sie wollten. Ich brauchte sie nicht. Ich brauchte nur das Strahlen in den Augen meiner Kinder. Dreckige Klamotten vom Draußenspielen? Na und! Wer wollte schon geschniegelte Prinzessinen und kleine Lords? Ich nicht! Ich wollte Tom Sawyer und Huckleberry Finn. Ich wollte Abenteuer und Pippi Langstrumpf. Ich wollte Leben.
Heute sind meine Kinder fast alle groß und ich bin so stolz auf sie. Meine Tochter stromert heute noch auf der Suche nach Gnomen und gefährlichen Wesen durch den Wald. Mein Sohn hinterfragt unsere Gesellschaft, lässt sich nicht in ein Schema drücken. Die kleinen Großen schlafen nachts lieber unter dem Sternenhimmel statt im Bett und pusten immer noch Fallschirmchen der Pusteblumen in die Luft, um ihre Träume auf die Reise zu schicken.
Ich muss sagen, ich habe das gut hinbekommen. Natürlich war und ist es nicht einfach. Es ist nicht leicht, anders als alle anderen zu sein. Aber ich bin froh, dass wir so sind, wie wir sind. Wir machen die Welt bunter und viele Menschen glücklicher. Ich habe meinen Sinn im Leben gefunden.
Mein Sinn ist es, glücklich zu sein. Nur wenn ich glücklich bin, kann ich das Glück weitergeben.
Bis dato ist es mir ganz gut gelungen. Ach ja, und wisst ihr, wo ich letztens war? Im Seetroll. Einem kleinen Laden ähnlich dem aus der Winkelgasse bei Harry Potter. Klein, dunkel und irgendwie magisch. Dieser Laden ermöglicht Zeitreisen.
Für ein paar Stunden wurde ich zurückkatapultiert in die Zeit meiner Kindheit. Dort habe ich eine längst vergessene Leidenschaft wiederentdeckt. Die Liebe zu Pen & PaperRollenspielen und zu Comics. Oh, wie habe ich diese verschlungen. Auf dem Foto seht ihr den Comic, der es mir ganz besonders angetan hat. Ist es nicht magisch?
Was habt ihr als Kind geliebt und ewig schon nicht mehr getan?
Schreibt es auf und dann tut es!
Ich bin gespannt, welche vergessenen Träume ihr wiederentdeckt. Auf einen Bericht von euch bin ich sehr gespannt. Zeichnet, fotografiert, schreibt! Ich freue mich jetzt schon auf eure Antworten.

 

In Liebe,
Eure Claudia